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Achtsamkeit, ubuntu und die Windowsmania

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Dieser Artikel wurde geschrieben von Thomas Schaaff

Achtsamkeit ist mein Beruf. Wenn ihr zu mir kommt in meinen Kurs, könnt ihr Achtsamkeit lernen. Was ist denn das nun schon wieder?

Also. Ehe ich mir die Schelte aller Deutschlehrer zuziehe und sage: „Achtsamkeit ist, wenn...“, mache ich es lieber konkret. Wann hast du das letzte mal folgende Meldung wirklich gelesen? „Dieses Dokument beinhaltet unter Umständen Formatierungen oder Inhalte, die im Microsoft Word Format nicht gespeichert werden können. Möchten Sie das Dokument trotzdem in diesem Format speichern? Klicken Sie auf Ja, um ... Klicken Sie auf Nein, um...“ Ich meine gelesen, nicht gesehen! Hast Du sie überhaupt schon einmal gelesen oder klickst du, weil die ewige Fragerei ohnehin nervt, deinem Genius vertrauend, auf ja. Ja ist immer gut. Wird schon stimmen. Ich bin kein Nein-Sager. Das ist eine weit verbreitete Haltung, die ich einmal Windowsmania nennen möchte: Das Denken in Boxen, ohne dabei wirklich zu denken. Kommt ein Mann in den Bäckerladen: „Haben sie Brötchen. Ja? Nein? Abbrechen?“ Aha, denkt die Verkäuferin, wieder ein Computer Kurs in der Stadt. Und antwortet gar nicht.

Achtsamkeit heißt: Jetzt – hier – in diesem Augenblick – ganz aufmerksam – hier zu sein.

Bist du in diesem Augenblick, in dem die Message Box erscheint, wirklich da? Hier, in diesem Augenblick? Ganz anwesend? Oder sind deine Gedanken bei dem was gerade war, bevor du den Befehl zum Speichern gegeben hast? War es überhaupt speichern? Oder war es speichern unter? Wie soll das Dingens eigentlich heißen? Und dann fällt dir ein, wie das war, als du nicht gespeichert hast und auf mal der Strom weg war und deine Arbeit auch, weil du doch das automatische Speichern ausgeschaltet hattest und du alles nochmal machen musstest. Scheiß Computer. Oder sind deine Gedanken bei dem, was kommen wird, wenn die Arbeit fertig ist. Drei Tage nicht bei ubuntuusers gewesen. Weiß gar nicht mehr, was im Forum los ist. Also gleich hin. Gleich. Nun mach schon, blöde Kiste. Das alles und vielleicht auch noch viel mehr, passiert in dem Augenblick, in dem du klickst. Hab ich eigentlich jetzt ja oder nein geklickt?

Windowsmania – das Gegenteil von Achtsamkeit. Ich hatte mal einen Auszubildenden. – Schönes Unwort, aber keine Sorge, ich verkneife mir das despektierliche Lehrling, – der konnte einen PC einrichten, hatte gleichzeitig seinen Laptop auf den Knien, eine Cola in der Hand, Chipse in allen Mundwinkeln, erzählte den neuesten Witz und schrieb in sein Berichtsheft: Heute nichts gemacht. Nur auf Kunden gewartet. Toll. – Zurück zur Achtsamkeit.

Jetzt – hier – in diesem Augenblick – ganz aufmerksam – hier sein. Natürlich ist das Beispiel mit der Message Box ziemlich harmlos. Was kann schon groß passieren. Aber es geht auch anders. Was jetzt kommt ist eine Lachnummer. Ist mir vor ungefähr drei Wochen passiert. Alle haben drüber gelacht, nur ich nicht. Ich wollte mal eben die deutsche Version von NVU installieren. Geht ja ganz leicht. Ist genau beschrieben. Im Forum. Brauch nur zu machen, was da steht. Nix denken. Nur abtippen. In 10 Minuten musst du weg. Freu. Das schaff ich noch. Und dann habe ich ziemlich am Ende der Aktion „sudo rm -rf /home“ eingegeben. Ohne wirklich zu wissen und zu verstehen, was ich da tu. Hab gedacht, das stünde so in der Anleitung. Und mich schon auf meine neues NVU gefreut und auf mein Wegmüssen in 10 Minuten. Erst als nach und nach alle Icons von meinem Desktop verschwanden und die Ordner auch, die mussten wohl auch mal weg, bin ich wach geworden. Die Geschichte ging noch halbwegs gut aus. Aber 3-4 Stunden hat es schon gedauert, bis ich fast alles wieder hatte. Dank ubuntu und ubuntuusers. Vier Stunden wegen fehlender Achtsamkeit von einer Minute. Meinen Wegmussfreutermin konnste vergessen.

Was ich gelernt habe?

Als erstes: Die Windowsmania abschalten. Im Achtsamkeitskurs heißt das: Verlasse den Autopilotenmodus. Stell dich für einen Augenblick neben dich und beobachte dich selbst. Aber freundlich! Du bist hier bei ubuntu! – So – Und dann frage dich freundlich: Was tippst du da eben gerade? Weißt du, was das heißt? Bist du sicher? Willst du das auch? Übrigens, man braucht dazu gar nicht viel Zeit. Auf jeden Fall keine 4 Stunden. Es kann sehr schnell gehen. Und doch ist man wach und präsent im Augenblick. Für einen kleinen Augenblick nur schaffe ich mir Raum. Um mir selbst über die Schulter zu gucken. Na und wenn ich dabei feststelle, ich weiß, was ich gerade mache, ist das völlig ok. Und wenn ich feststelle, ich weiß es eigentlich nicht, dann gibt es doch da ein Forum mit dem Motto „Fragen ist menschlich.“ Genau das ist dann für mich angesagt. Es ist Achtsamkeit.

Als Zweites: Achtsamkeit und Computer passen prima zusammen. Gerade weil viel automatisch passiert, ist es wichtig, öfter mal den Autopiloten auszuschalten. Den in mir. Wie gut, dass ubuntu so transparent ist und offen. Nur so geht’s.

Als Drittes: Dass das ausgerechnet mir passieren musste! Hey! Teachers! Leave them kids alone!

Es gibt übrigens bei ubuntuusers ein schönes Beispiel für Achtsamkeit.

Nachdem alle den armen yabuti mit Ratschlägen fast erschlagen hätten, Ratschläge sind halt auch Schläge, schreibt chrissss: „Aaaaaaaaaaalso“ (Mit 11 a. Ich hab sie gezählt und Chrissss mit 4 s. Hab ich auch gezählt. Allein das hilft schon gegen die Windowsmania.) Dieses Aaaaaaaaaaalso sagt Folgendes: Tritt auf die Bremse! Halte an! Für einen Augenblick nur. Schau hin. Schau genau hin. Und dann klärt Chrissss mit 4 s die Grundlagen. Bringt alle auf den gleichen Wissensstand und zeigt, wie man es möglichst machen sollte und was passieren kann, wenn man es nicht so macht.

Damit ist genau der Raum geschaffen zwischen dem Befehl und der Enter-Taste, den ich brauche, um solche rm -rf Fehler zu vermeiden. Aber mal ehrlich, sind wir nicht alle manchmal irgendwie rm -rf? Oder doch lieber Bluna?

Im ubuntuusers Forum Achtsamkeit zu entdecken macht Spaß und Mut, sich selbst öfter einmal freundlich und wohlwollend zu beobachten. Achtsam halt. Und auch mit einem Schuss Humor, denn Fragen ist menschlich.

Danke an Thomas für diese sehr gelungene Erklärung des Begriffs Achtsamkeit.