ubuntuusers.de

Übersetzungsarbeit, eine unterschätzte Tätigkeit

Welches Potential hinter Übersetzungsarbeit steht, welche Tätigkeiten und Stellenwert dieser Dienst speziell für die Linux Gemeinschaft einnimmt, das wollte ich mal genauer für mich erforschen und klären.

Gerade bei Linux lautet das Motto: „verstehen was passiert und das von Anfang an“. Also reicht es nicht, blind irgendwelche Befehle einzugeben. Man muss auch die Kommentare und eventuelle Auswirkungen auf das Gesamtsystem verstehen. Wer sich dem Opensource Gedanken verpflichtet fühlt - müsste somit auch dem Gedanken des Übersetzens gegenüber offen stehen.

Nehmen wir das einmal wörtlich: „über setzen“, also Inhalte aus dem Unerreichbaren und Unverständlichen in meiner Sprach- und Verständniswelt transportieren.

Wo es früher keine Brücken gab, setzte der Fährmann Menschen zu neuen Welten über. Der Fährmann ist nur der Beginn. Da wo genügend Verkehr entsteht, werden Brücken gebaut. (Dies entspricht auch dem menschlichen Streben nach Beständigkeit.) Ja, auch heute fehlen oft diese Brücken oder man will an einer Stelle übersetzen, wo sich diese Brücken nicht in Sichtweite befinden und da gebraucht es einem Fährmann.

Überzeugungsarbeit leisten, ist ein zweiter Aspekt. Man befindet sich in der Rolle des Überzeugers, weil man zeigt, das über setzen möglich ist.

Was ist den so toll aus dem englisch ein denglisch zu schaffen?

Viele Anleitungen sind schon in diesem Internet- oder Plainenglisch geschrieben und somit leicht verständlich. Es bleibt denglisch weil sich die Komponente „Befehlsstruktur“ nicht ändert. Wo aber Menschen weltweit zusammenarbeiten, da bedarf es einer gemeinsamen Basis, eben dieser Sprache aus Befehlen, die ein Betriebssystem ausmacht. Wer übersetzt, denkt über das Geschriebene nach. 1:1 Übersetzungen ergeben aber manchmal wenig Sinn.

Wer jahrelang eine Sprache spricht, der entwickelt auch eine eigene Denkart. „Soziologische Strukturen der Sprachen unterscheiden sich“ – würde ein Soziologe sagen. Wenn man also die Summe der Befehle als Sprache ansieht, dann werden die Unterschiede zwischen Windows und Linux noch deutlicher.

Ein Vorurteil, den ich in meiner Tätigkeit im Windowssupport von den Anwendern immer wieder zu hören bekomme ist: „Bei Linux ist alles anders und auch noch in englisch. Bei Windows weiß ich zumindest was ich tun soll.“ Sprache (deutsch) und Betriebssystem werden als eine Einheit erlebt und diese Tatsache wird gleichgesetzt mit Wissen. Wenn ich mich der Überzeugungen meiner Anwender bewusst bin, dann kann ich etwas ändern, indem ich das hier deutlich zur Sprache bringe.

Eine geistige Aufwertung des Übersetzers, der seiner Tätigkeit mit Herz und Verstand nachgeht, würde lauten: Vermittler von Wissen.

Der Übersetzer kann nicht mit Abstand vorgehen. Er muss sich mit der Thematik auseinander setzen, um den anderen die Welt durch seinen Blickwinkel, so wie er den Text versteht, zugänglich zu machen. Beim Ringen um die beste Formulierung schafft er Sinn. Wer sich anschließend auch noch die Mühe macht und den ursprünglichen Text durchliest, wird einen anderen Bezug zur Sprache finden und die zuvor als unverständlich empfundenen Formulierungen werden plötzlich klar. Übersetzen ist somit keine Einbahnstraße, sondern schafft in zweifacher Weise Sinn.

Übersetzen ist nur zum Teil eine Sache von innerer Berufung und dem Willen Klarheit an Stelle von Verwirrung zu setzen. Übersetzen ist sachliches Erkennen und Umsetzen einer Notwendigkeit. Gerade das Erkennen ist angeblich eine der Stärken des heutigen modernen Menschen. Die Umsetzung von Notwendigkeiten – so sagt man – ist eine Schwäche der Moderne, weil es persönlichen Einsatz von jedem abfordert. Wenn man es genau nimmt, ist übersetzen keine „dankbare“ Aufgabe, weil man sich auf der Ebene des Denkens mit dem Thema auseinander setzen muss und wir wollen doch viel lieber einer erlebenden Tätigkeit nachgehen. Die Notwendigkeit bleibt ungeachtet dieses Unterschiedes in der Präferenz weiterhin akut.

FAQ (Frage Antwort Quintessenz)

Was passiert wenn ich dieser Tätigkeit nachgehe oder es eben auch sein lasse? Die positive Konsequenz ist vielleicht nicht unmittelbar absehbar, aber die Tragweite der Verwirrung, wenn man keine Klarheit schafft, ebenso wenig. Aus der eigenen Feder Sinn zu schaffen, ist also eine erstrebenswerte Aufgabe.

Es gibt Kernel- und Paketentwickler, Bugfixer, Autoren von Dokumentationen und eben Übersetzer.

Canonical hat mit Rosetta eine praktikable Lösung geschaffen. Es warten aber auch viele andere englische Artikel und Wikibeiträge auf eine sinnvolle Übersetzung.

Werde Fährmann!