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Daddeln mit Tux: Hinter den Kulissen von Holarse

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Holarse ist für Linuxspieler eine der bekanntesten Anlaufstellen im deutschsprachigen Raum. Vieles hat sich in all den Jahren des Bestehens getan. Zeit für ein Interview!

Viele kennen march aus dem Wiki – und dort vor allem aus der Spiele-Ecke als offiziellen ubuntuusers-Zocker. Was also lag näher, als march, den Daddel-Experten, zu bitten, sich mit Bernd Ritter (comrad), dem Betreiber von Holarse, für ein virtuelles Interview zu treffen.

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Logo von Holarse

Hallo Bernd! Danke, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. In welchem Jahr wurde Holarse gegründet und welche Intention stand dahinter?

Holarse selbst wurde eigentlich nie richtig gegründet. In den Anfängen, um die Jahrtausendwende, handelte es sich eher um eine private Hobby-Seite, auf der ich einfach ein paar Linuxspiele-Tipps gesammelt habe. Auf der Suche nach einer deutschen Quelle für Linuxspiele wurde ich leider nicht fündig. Und so fand ich, dass ein paar Hinweise immer noch besser waren als nichts.

Ein oder zwei Jahre später, als die Linuxspiele-Community aktiver wurde und so auch das Interesse und die Anfragen an Holarse wuchsen, hat sich daraus ein Projekt entwickelt.

Was bedeutet Holarse?

Eigentlich heißt das gar nichts. Es kommt von einem Versprecher im Spanischunterricht: Reflexives Verb „holar/se“. Direkt übersetzt: „sich halloen“. Versteht kein Spanier. Unsere Spanischlehrerin damals auch nicht.

Ich brauchte einen Domainnamen und mir fiel auf der Stelle nur das Wort ein. Als ich später dann einen Platz brauchte, um die Spieletipps abzulegen, übernahm ich einfach den Domainnamen als Projektnamen.

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Holarse im Jahr 2000

Was werkelt(e) im Hintergrund? Eigenentwicklungen oder fertiges Content-Management-System?

Ganz zu Beginn war es reines HTML. Mit mehreren festen Schreibern brauchten wir dann ein CMS und entwickelten selbst eines in PHP – ganz ohne Datenbank. Das hat einige Jahre gute Dienste geleistet.

Später sind wir dann auf SnipSnap gewechselt, ein CMS mit Wiki-Funktionalität auf Java-Basis. Hier war dann der erste Wiki-Ansatz enthalten. Nach fünf Jahren Dienstzeit und einigen Monaten Suche und Testerei haben wir dann die Webseite auf Drupal umgezogen. Das ist nun auch wieder knapp vier Jahre her.

Derzeit arbeiten wir an einer selbst geschrieben Webapplikation auf Ruby On Rails-Basis. Der Code liegt auf GitHub (commel/holarse) und jeder ist herzlich eingeladen Ideen und Anregungen einzubringen.

In der neuen Software wollen wir auf die Änderungen in der Linuxspiele-Welt eingehen. Problembehebungen und Installationsanleitungen sind im Zeitalter von Steam, Desura, Ubuntu Software-Center, Humble Bundle usw. nur noch ein kleineres Randproblem. Viel mehr wollen wir auf die Nachrichten, Let's Plays, Spielebeschreibungen und dergleichen eingehen.

Die korrekte Darstellung auf mobilen Endgeräten ist genauso Thema und eine der Kernänderungen, wie das twitterähnliche Posten von Kurznews. Oder die deutlich stärkere Einbindung von anderen Medien als Text. In Zukunft werden wir Podcast-Beiträge auf Holarse haben, genauso wie reine Video-Beiträge.

Gerne nehmen wir hier Eure Anregungen entgegen, wie sich Holarse in der Zukunft weiterentwickeln soll.

Wie sah die Holarse-Website am Anfang aus und gab es da schon ein Logo? Wie haben sich diese im Laufe der Zeit verändert?

Ganz zu Beginn habe ich alles selbst mit Gimp gemacht. Sogar ein schickes Tux-Mädel hatten wir. Zu den Netscape-Zeiten waren die Designs auch eher Nebensache. Meine damalige Freundin hatte sich dann ein Logo ausgedacht und einen Schriftzug. Aus der Community kamen dann auch Angebote, sich um das Logo zu kümmern. Das derzeitige Logo haben wir jetzt seit knapp acht Jahren.

Die Webdesigns kamen ja erst später richtig in Mode. Hier hat uns die Community ausgeholfen, meine grausigen Designvorschläge bloß nicht an die Öffentlichkeit zu lassen. Technisch kann ich mir zwar helfen, aber so sieht es dann auch aus. 😉

Für die neuste Webseite haben wir ein Design eingekauft, welches guten Anklang in der Community gefunden hat. Man kann es sich anschauen unter http://testing.holarse-linuxgaming.de. Wer sich allerdings über Fehler beschwert ohne diese zu melden, schuldet mir ein Bier.

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Holarse im Jahr 2003

Wie hat sich die Spielewelt unter Linux in den vergangenen 14 Jahren gewandelt?

Früher hatte ich wirklich jedes Spiel, was jemals für Linux erschienen war. Das wurde mit den Humble Indie Bundles und dem Aufkommen der Indiespiele für Linux etwas schwieriger, aber dennoch machbar (man hat ja einen Ruf zu verlieren *g*). Seit Steam jedoch nativ unter Linux läuft, habe ich das allerdings aufgeben.

Was waren die Hochs und Tiefs, die man auf Holarse durchgemacht hat?

Eine sehr interessante und spannende Hochphase war sicher die Zeit, als Loki noch sehr aktiv Spiele portiert hat. Linux bekam einen richtigen Desktop, wurde von Firmen langsam ernst genommen und es gab auch endlich qualitativ hochwertige Spiele.

Nach dem Fall von Loki wurde es erstmal sehr ruhig um die Linuxspielewelt. Um 2005 herum haben wir angefangen auf den Linuxtagen auszustellen und den Leuten direkt Linux als Spieleplattform näher zu bringen. Als Aussteller auf der Messe mit vielen Leuten in Kontakt zu kommen und die weltweite Linuxcommunity zu treffen, war natürlich sehr spannend. Und Linuxspiele bekamen auch wieder Aufwind, was sich in Fernsehberichten und GIGA-Auftritten widerspiegelte.

Wer gestaltet Holarse aktiv mit? Ist es ein festes Team oder die Community?

Ich bin als fester Bestandteil natürlich immer dabei, sofern es das Real-Life zulässt. Auf Holarse schreibt eine Vielzahl von Leuten mit, kümmert sich um News, befragt Leute und dreht fantastische Videos von Linuxspielen.

Derzeit sind Meldrian als unser Videomann dabei, Lucki, Javafant und noch viele viele andere. Jeder, der interessiert ist und sich beteiligt, kriegt schnell mehr Rechte (und Pflichten, hrhr).

Woher stammen die aktuellen Informationen zu Spielen und Aktionen?

Das ist bunt gemischt: Sowohl aus Internet-Recherchen, Hinweisen aus der Community, Pressemitteilungen, Presse-E-Mails oder Kontakten. Ziemlich genau in dieser Reihenfolge.

Was macht die Community aus?

Die Linuxer bringen ihre ganz eigene Kultur mit und das spiegelt sich auch im Umgang miteinander und den gespielten Spielen wider.

Erzähl uns bitte ein wenig über den IRC, den P3Cast und über die Spielabende auf euren eigenen Spielservern.

Wir (also Holarse) bieten ja nicht nur die Webseite an. Wir wollen der Linuxspiele-Community auch alle Mittel anbieten, um miteinander spielen zu können. Zur Förderung des Community-Gedankens bieten wir einen freien Mumble-Server, freien Jabber-Zugang, einen FTP-Server mit Demos, Videos und vielem mehr an.

Darüber hinaus ermöglichen wir, Teyros Linuxspiele-Podcast P3Cast über uns „auszustrahlen“ und kooperieren mit PlayX und seinem Projekt GTuxTV.

Und weil es Spaß macht und bei Laune hält, halten wir jeden Freitagabend ab 20 Uhr einen Spieleabend ab. Dort wollen wir spielen, worauf man gerade Lust hat. Anregungen werden die Woche über gerne im Forum, im IRC oder auf Steam entgegengenommen. Sehr gerne werden auch Open-Source-Spiele im Multiplayer gespielt.

Zudem versuchen wir Händler und Entwickler für Linux zu begeistern und ihnen bei möglichen Entscheidungsfragen in Sachen Portierungen zu helfen und zu vermitteln. Auch haben wir schon Lokalisierungs- und Beta-Testing-Projekte in der Holarse-Community durchgeführt.

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Holarse im Jahr 2011

Kann jeder an euren Spieleabenden teilnehmen?

Solange man unter Linux spielt, ja. Oftmals benötigt man einen Steam oder Desura-Account. Aber jeder kann Vorschläge unterbreiten – Open-Source-Spiele sind da sehr gern gesehen.

Kooperiert ihr mit anderen Communities? Wie sieht diese Kooperation aus?

Unser Ziel ist es, Linux als Spieleplattform zu etablieren. Daher arbeiten wir mit jedem zusammen, der ebenso dieses Ziel verfolgt. Konkurrenz belebt das Geschäft, aber letztlich arbeiten wir alle irgendwie Hand in Hand - des gemeinsamen Ziels wegen.

Wie finanziert sich Holarse?

Wir müssen ja nur die Gebühren für den Root-Server und die Domains entrichten. Die paar hundert Euro im Jahr sind mir das ganze allemal wert. Von Werbung halte ich nicht viel und sie bringt auch nicht viel, von daher verzichten wir da ganz drauf.

Wie siehst du die Zukunft?

Bunt. Denn bunt ist das Dasein und granatenstark! (Das wollte ich schon immer mal irgendwo unterbringen).

Eigentlich sieht die Zukunft derzeit ja sehr rosig aus. Wir haben ein extrem durchstartendes Steam mit unglaublich vielen neuen Portierungen. Dabei sind auch Hersteller, die ohne Valve Linux als Plattform nie in Betracht gezogen hätten. Große Spiele werden gleichzeitig für alle Plattformen (inklusive Linux) veröffentlicht. Großartige Zeiten!

Die Schattenseite – und an die sollte man auch denken – ist, dass das derzeit eigentlich fast nur an Valve und Mono hängt. Eine große Zahl von portierten Spielen sind in C# geschrieben und können dank Mono und dem XNA-kompatiblem Framework MonoGame ziemlich einfach portiert werden.

Sollte Mono in irgendeiner Weise mal heruntergefahren werden, so sieht es mit der einfachen Portierbarkeit auf Linux recht düster aus.

Der Humble Store bringt natürlich auch Linuxspiele heraus und diese haben den Stein auch so langsam ins Rollen gebracht. Aber wenn der Humble Store wieder nur der Einzige ist, der portiert, bricht das Interesse möglicherweise wieder schnell weg.

Aber das wird natürlich alles nicht passieren. ☺ Tux ist ja nun sehr hartnäckig – und Linuxgamer halt auch.

Vielen Dank, Bernd, für das Interview und die Einblicke, welche du gewährt hast.


Vielen Dank an march für das Führen des Interviews!