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Lieber Wiendows statt Wienux

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Wienux - ein Projekt mit kurzer Lebensdauer und letztendlich bescheidenem Erfolg. Eine Fehleranalyse.

Award:

Dieser Artikel ist der vierte Platz des Ikhaya-Artikelwettbewerbs „Lesen ist silber, schreiben ist Gold“. Die Auszeichnung wurde an Lukas Linemayr überreicht.

2005 gab es Aufbruchstimmung. In Wien wurde verkündet, dass ein Viertel der Computer der Stadtverwaltung auf Linux umgestellt werden - und war damit nach München die zweite deutschsprachige Großstadt, die offensiv Open-Source gefördert hat. Eine eigene Distribution wurde veröffentlicht, danach wurde es still. Immer wieder gab es kürzere Medienmeldungen, dass das Projekt nicht besonders gut lief. 2008 dann der Todesstoß: Plötzlich bemerkte man, dass Wienux, das bisher hauptsächlich in Kindergärten eingesetzt wurde, mit einer Sprachförderlösung für Kinder nicht kompatibel war. Diese lief nur im Internet Explorer. Aufgrund dieser geradezu unüberwindbaren Kompatibilitätsbarriere wurde das Projekt schließlich eingestampft.

Die Fehler

Doch wie kam es zu dieser Entscheidung? Welche Fehler wurden gemacht? Natürlich ist die offizielle Erklärung eine Beleidigung für den gesunden Menschenverstand. Folgend ein Versuch, die wirklichen Fehler aufzulisten.

Fehler 1: Eine eigene Distribution

Obwohl jede Distribution absolute Standardtools wie Firefox, GIMP und Apache OpenOffice benutzte, entschied man sich, eine eigene Distribution auszuliefern. Basierend auf Debian entfernte man zuerst einmal den kompletten Installationsprozess - installiert wurde automatisch auf die komplette Festplatte. Damit wurde eine eventuell notwendige Parallelinstallation zumindest erschwert. Der erhebliche Verwaltungs- und Wartungsaufwand einer eigenen Distribution wurde offensichtlich unterschätzt, Updates gab es schlicht und ergreifend nicht. Natürlich macht eine eigene Distribution Sinn, wenn eigene Programme und Verwaltungsabläufe integriert werden müssen. Aber nur, wenn die Distribution auch mit dem notwendigen Ernst entwickelt wird.

Fehler 2: Die Software

Auch wenn die offizielle Begründung - wie oben bereits erwähnt - wohl eher eine Ausrede als ein ernstzunehmendes Problem war: Kompatibilitätsprobleme können natürlich den Umstiegsprozess verkomplizieren. Hier wäre Planung im Voraus wichtig gewesen: Welche Programme sind wirklich wichtig, welche kann man neu schreiben? Was gut ist: Dank der zunehmenden Entwicklung von Webapplikationen sollten in Zukunft diese Probleme eher in den Hintergrund rücken. Eine kluge Stadtverwaltung würde zunächst nach und nach auf kompatible Software umsteigen, und dann am Ende das Betriebssystem wechseln.

Fehler 3: Die freie Wahl

Mitarbeitern der Stadtverwaltung wurde die freie Wahl gelassen, ob sie mit Windows oder Linux arbeiten möchten. Ein Zustand, von dem sogar viele Informatiker nur träumen können. In einer Umgebung, in der die meisten Mitarbeiter computertechnisch wenig bis gar nicht gebildet sind, hat ein homogenes System natürlich absolute Priorität. Niemand, der es nicht aus ideellen Gründen tut, wird freiwillig am Arbeitsplatz auf ein neues, bisher unbekanntes System umsteigen, nur um dann vieles neu lernen zu müssen. Hier hätte man sich von Abteilung zu Abteilung kämpfen müssen, dort die jeweiligen Anforderungen analysieren und dann - nach einer entsprechenden Ausbildung der Mitarbeiter - den Umstieg beginnen sollen. Natürlich gehören die Gründe für den Umstieg auch kommuniziert - allerdings ist eine freie Wahl des Betriebssystems ein absoluter Luxus, der hier schwer nachzuvollziehen ist.

Fazit

Linux in der Verwaltung kann - das sieht man an München - funktionieren. Allerdings nur mit entsprechendem Rückhalt aus der Politik. 2008 musste die gesamte IT-Landschaft Wiens, die bisher mit Windows 2000 arbeitete, umgestellt werden, da wenig später der Support von Microsoft dafür eingestellt wurde. Eine unglaubliche Möglichkeit - die vertan wurde. Stattdessen wurde beschlossen, dass man für 1 Million Euro Windows-Lizenzen kauft - die verbliebenen Wienux-Systeme wurden auf Windows Vista umgestellt.


Vielen Dank an Lukas Linemayr für den eingereichten Artikel