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Warum ich ubuntu Fan geworden bin

Dies ist ein von Thomas Schaaff geschriebener Erfahrungsbericht. Danke hierfür und ich freue mich schon auf weitere Berichte.

Jung bin ich nicht mehr. Mit 54 Jahren zähle ich bei den Computerleuten wahrscheinlich schon zu den Grufties. Aber das macht mir nix aus. Ich habe euch allen nämlich etwas voraus: Ich kenne noch die Zeit vor Windows! Damals hatten wir alle rechts neben der Tastatur, da wo sich heute die Maus befindet, ein kleines Buch liegen, mit den wichtigsten DOS Kommandos. Und mit das Erste, was wir lernten war copy con lpr. Damit war der PC eine prima Schreibmaschine.

Unsere Programme riefen wir mit eindeutigen Befehlen auf und hatten über eine Reihe von Parametern Einfluß auf deren Verhalten. Und für jedes Programm gab es eine Konfigurationsdatei, die konnte ich editieren und so die Programme meinen Bedürfnissen anpassen. Später lernte ich dann Basic und schrieb kleine Tools, die ich haben wollte, selbst, so z.B. einen Taschenrechner für Stunden, Minuten und Sekunden. Es war eine schöne Zeit (seufz). Ich saß vor meiner Kiste wie ein kleiner König und fühlte mich souverän und frei.

Dann wurde auf einmal alles schrecklich bunt. „Ich kann mich gar nicht entscheiden, es ist alles so bunt hier.“ (Nina Hagen) Man brauchte eine Maus und neben den Menüs tauchten Symbolleisten auf, immer mehr und natürlich individuell konfigurierbar. Ratzfatz war mein halber Bildschirm voller Icons, deren Bedeutung ich mir nicht merken konnte. Der Versuch, mir rechts neben der Maus, da wo früher meine DOS Referenzliste gelegen hatte, eine Liste mit den wichtigsten Icons anzulegen, scheiterte kläglich. Aber man gewöhnt sich daran. Es war ja auch alles so schön und bequem. Plug an play. Manchmal auch plug and pray, wenn nur noch beten half, weil ich nicht verstand, warum denn das Ding nicht so vollautomatisch funktioniert, wie auf der Packung versprochen.

Aber dem Gesetz der Trägheit der Masse folgend – da mein Gehirn auch eine Masse ist, folgte es willig – wurde ich bequem und nachlässig. Zugleich geriet ich unmerklich mehr und mehr in die Abhängigkeit von immer teureren Updates und kostenpflichtigen Supports. Denn wie man eine individuell angepasste Symbolleiste wieder in ihren Ursprungszustand versetzte, um wenigsten ein bisschen Platz auf dem Bildschirm zum Arbeiten zu haben, wusste inzwischen kein Mensch mehr. Von den einstmals so geliebten Konfigurationsdateien ganz zu schweigen.

Da hörte ich eines Tages, es war vor ungefähr 8 Wochen, etwas von ubuntu. Ich war inzwischen zu SuSE Linux gewechselt, hatte aber mein von Windows verwöhnungsverwahrlostes Verhalten nicht geändert. Irgendwie klappte alles, nur halt besser und billiger. Wie gesagt, in einer Mailingliste, in der wir über Freiheit und freie Software diskutierten, kam ubuntu auf. Ich habe mir das ubuntu Anwenderhandbuch heruntergeladen - erst mal gucken. Nicht gleich drauf springen – und fand folgende Sätze:

  • „Jeder Benutzer eines Computers sollte seine Programme für jeden Zweck einsetzen, kopieren, in kleinerem oder größerem Rahmen weitergeben, zu verstehen suchen, ändern und verbessern können ohne Lizenzgebühren bezahlen zu müssen.
  • „Jeder Benutzer eines Computers sollte die Möglichkeit haben, seine Programme in einer Sprache seiner Wahl zu benutzen„
  • „Jeder Benutzer eines Computers sollte sämtliche Möglichkeiten haben, seine Programme zu benutzen, auch im Falle einer Behinderung.“

Es war so, als würde ich mit einem Schlag wieder zurückversetzt in meine Computer Ursprungszeit, nur halt auf viel höherem Niveau. Sollte das tatsächlich möglich sein? Gibt es das? Eine universelle, weltweite, freie, frei konfigurierbare und frei zugängliche Software, die ich mir über das Netz individuell zusammenbauen kann, die so offen ist, dass ich sie anpassen, verändern, erweitern kann – falls ich das kann – und die so gut funktioniert, dass sie seit Monaten auf Listenplatz 1 steht? Eine Software, die ich nicht nur ohne schlechtes Gewissen weitergeben kann, sondern sogar soll?

Dann habe ich von Main, Restricted, Universe und Multiverse gelesen und musste feststellen, da steckt System dahinter, noch dazu eins, was mir sofort sympatisch war. Vielleicht auch deshalb, weil ich es auf Anhieb verstanden habe, trotz der Trägheit der Masse.

Jetzt war ich heiß gemacht. Mein nächster Schritt führte zu den ubunutusers. Nächste Überraschung: Das Motto! „Fragen ist menschlich.“ Also, dass es in der Linux Welt anders zugeht, als sonstwo, hatte ich schon mitbekommen, hilfsbereiter und offener halt, aber doch sehr technisch und Technik orientiert. Ist ja auch gut so, ich will ja schließlich meine Probleme lösen. Aber das ganz bewußte Benennen dieses Mottos, Fragen ist menschlich, das hat mich erstaunt. Tut es übrigens immer noch. Ich bin eben ein technisch interessierter Pädagoge und nicht umgekehrt. Also: rum gelesen, rein geschnuppert, kennen gelernt. Manches gefällt mir, Vieles ist vertraut. Die Fragen, die Technik, die Ungeduld, die manchmal kryptischen Antworten, die dann doch irgendwie zu einer Lösung führen. Alles vertraut. Aber dahinter steckt noch irgend was.

Da ist noch mehr. Ein anderer Ton, eine andere Luft. Ich zitiere aus dem Buch Ubuntu Linux von Marcus Fischer und Rainer Hattenhauer und aus einem Bericht im Forum über die Gründung des Ubuntu Deutschland Vereins: „Ubuntu ist nicht nur eine Ansammlung von Software – hinter der Idee steckt eine tiefgründige Philosophie: Ubuntu ist ein altes afrikanisches Wort, welches (Mit-)Menschlichkeit im besten Sinne bedeutet. Es ist »der Glaube an etwas Universelles, das die gesamte Menschheit verbindet«.“ „Man muss Ziele über die Traum- und Planungsphase hinweg verfolgen, um zu sehen, ob diese möglich und lohnenswert sind. So ist es auch mit dem Traum von der Bildung für alle. Es sollten eher mehrere als wenige daran arbeiten und glauben.“

Jetzt war ich überzeugt. Also zumindest den Versuch zu wagen! Zu Weihnachten bekam mein PC eine neue Festplatte, aus dem Netz bekam ich die ubuntu iso. Flugs gebrannt und drauf damit. Inzwischen kenne ich mich mit ubuntu ganz gut aus, auch Dank des Forums, das ich eifrig nutze. Fragen ist menschlich. Neugierig sein auch. Und ausprobieren erst recht.

Seit ungefähr zwei Wochen sitze ich vor meiner Kiste und das alte Glücksgefühl taucht wieder auf. Ich bin vielleicht noch kein König, aber ich fühle mich wieder frei und souverän. Nur dass alles viel besser ist als früher. Nix mehr mit guter alter Zeit.

Wie es mir bei der Installation ergangen ist und wie meine ersten Schritte mit ubuntu ganz konkret waren, welche Hürden genommen werden mussten und wie meine träge Hirnmasse an Schwungkraft gewonnen hat, das könnt ihr in meinem nächsten Beitrag lesen, wenn ihr dann noch Lust dazu habt.

Thomas Schaaff