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Interview mit Linus Torvalds

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Dieses Interview führte CNN.com in Portland, Oregon mit Linus Torvalds. Die Originalversion ist hier verfügbar. Das Interview wurde aus dem Englischen ins Deutsche von SS2 und MasterC übersetzt.

Kristie Lu Stout: Welche Rolle spielen Sie heutzutage in der Entwicklung von Linux?

Linus Torvalds: Gut, was ich heutzutage am meisten mache, ist Kommunikation. Ich habe zwar als Hauptentwickler angefangen, aber momentan bin ich für andere Leute, die eine Menge an Entwicklung betreiben, der zentrale Punkt. Ich sammle alles und rede im Allgemeinen mit Leuten über das, was getan werden muss und so weiter.

KLS: Was ist Ihre ungefähre Vorstellung, wieviele Linux-Entwickler es da draußen gibt?

LT: Ich arbeite eigentlich nur mit einer Handvoll von Entwicklern, das sind vielleicht zehn bis 20 Leute und diese arbeiten wiederum mit anderen Leuten. Je nachdem, wie man zählt: berücksichtigt man nur die, die am Kern arbeiten, dann sind es 20 bis 50 Leute. Wenn man jeden zählt, der mit einbezogen ist, dann 5.000 Leute.

KLS: Sie haben also die Kern-Leute, Sie haben die Entwickler und Sie haben die Tester. Was glauben Sie, motiviert jeden, bzw. was bringt jeden dazu, die bestmögliche Arbeit zu verrichten um ein gutes Produkt zu schaffen?

LT: Viele der Kern-Leute sind einfach nur fasziniert von der Technologie. Und das ist der Grund, warum viele Leute damit anfangen, deshalb habe ich angefangen, es ist einfach die Aufregung etwas selbst zu machen. Es ist sowas wie ein Hobby. Man kann an einem Auto basteln, man kann an Computern basteln. Es gibt eine Menge technischer Probleme, die sehr aufregend sind wenn man diese Sorte von Person ist... Zumindest vom Standpunkt der Entwickler, niemand macht es weil er Microsoft hasst. Keiner der Leute, mit denen ich zusammen arbeite, tut das aus diesem Grund. Sie machen es, weil sie lieben was sie tun.

KLS: In den letzten Jahren haben wir ein gewaltiges Wachstum bei der Benutzung von Linux erlebt, besonders auf Desktop-Computern, besonders bei Sachen wie Open Office, besonders der Firefox-Browser. Glauben Sie, dass wir einen Wendepunkt erreichen, bei dem Linux Mainstream wird?

LT: Wenn Sie mich fragen, ist es eigentlich schon immer ziemlich Mainstream gewesen. Ich mache dies nun schon seit 15 Jahren und man muss sich klar machen, dass ich einen etwas anderen Standpunkt zu der ganzen Sache habe.

KLS: Ich verstehe, aber zum Beispiel Ihre Mutter oder meine Mutter, sie surfen im Internet. Aber vielleicht surfen sie noch nicht mit Firefox oder sie wissen noch nicht wirklich, was Linux ist.

LT: OpenSource kommt definitiv zu einem Punkt, an dem viele Leute, die eigentlich nichts von der Technologie wissen, anfangen den Begriff von OpenSource kennen zu lernen und anfangen, die Produkte zu benutzen. Nicht nur Linux, ich meine Firefox ist zweifellos das, was die meisten Leute entdeckt haben werden, weil sie es bevorzugen, weil es besser ist oder weil es sicherer ist oder aus irgendeinem anderen Grund.

KLS: Auch weil es eine Alternative zu Microsoft ist?

LT: Also, ich denke das wird höher bewertet als es eigentlich ist. Es ist eine sehr lautstarke Seite, die die ganze Anti-Microsoft Sache darstellt. Ich glaube, das hört sich nach mehr an, als es notwendigerweise im echten Leben ist.

KLS: Lassen Sie uns zu den Anfängen zurückkehren, als Linux in den frühen 90ern anfing. Was hat Sie motiviert, den Quelltext freizugeben?

LT: Ich habe nicht angefangen darüber nachzudenken, dass ich den Quelltext freigeben will. Als ich damit angefangen habe war ich bereits 21, ich war an der Universität von Helsinki und mein halbes Leben lang hatte ich nichts anderes getan als zu programmieren. Alle Projekte die ich je gemacht hatte waren für mein eigenes Vergnügen - technische Herausforderungen, aber auch um Probleme, die ich hatte, zu lösen. Und Linux war wirklich nicht anders. So war OpenSource nicht wirklich eine bewusste Entscheidung wie "Ich will dies OpenSource machen". Zu einem hohen Grad war es nur ein Weg, anderen zu erlauben drauf zu schauen und zu sagen: "Hey, das habe ich gemacht - ich bin Stolz drauf".

KLS: Glauben Sie, es war ein wenig Prahlerei daran beteiligt?

LT: Absolut. Da war ein wenig Prahlerei, da war auch ein wenig: "Hey, mein Weg Arbeit zu verrichten ist immer noch alleine unten in meinem Keller zu sitzen". Und es ist einfach nett mit Leuten zu reden und eine Menge davon war wahrscheinlich sozial, auch zu sagen: "Hey, dies ist ein Weg mit anderen Geeks, welche wahrscheinlich in vielen Weisen auch sozial unzureichend sind, zu interagieren".

KLS: Und Sie haben ein Maskottchen für das alles, ein Pinguin. Wie kommt das?

LT: Ich fühlte, dass Linux ein sehr nettes und freundliches Maskottchen wollte und brauchte, um ein wenig die "Geekiness" und die harte Technologie auszugleichen. Ein Tier auszuwählen war also eine ziemlich naheliegende Sache. Gleichzeitig will man etwas exotisches; man will keinen Hund oder Katze, das ist einfach zu alltäglich. Und jeder mag Pinguine, also entschied ich mich wirklich für einen Pinguin als mein Maskottchen. Ich wollte, dass es knuddelig ist, ich wollte, dass es ein Plüschspielzeug ist und ich wollte es selbst machen. Also dachten wir uns eigentlich nur ein Konzept aus, und starteten anschließend einen kleinen Wettbewerb, wer den besten Pinguin zeichnen kann. Jetzt kann man das Endprodukt des Siegers auf nahezu jeder linuxbezogenen Seite sehen.

KLS: Haben Sie je darüber nachgedacht in das Geldspiel einzusteigen, unglaublich reich zu werden von dem Betriebssystem, das Sie kreiert haben, welches jetzt auch das am schnellsten wachsende Betriebssystem der Welt ist?

LT: Naja, ich bin reich genug geworden. Das ist nicht schlecht. Es war aber auch nicht das, woran ich interessiert war. In vielerlei Hinsicht bin ich sehr zufrieden über das ganze Linux Geschäft, da der komplette kommerzielle Markt eben das tut, woran ich in keiner Weise interessiert bin. Der kommerzielle Markt führt eigentlich dazu, dass es ist, als ob ich jeden Monat meinen Lohn kriegen würde. Und ich bekomme es für das was ich tun möchte, das ist die technische Seite. Ich möchte nichts mit dem komerziellen Marketing Zeug zu tun haben. Ich denke auch, dass jeder ziemlich zufrieden ist mit dieser Anordnung, dass die Menschen eben das tun, worauf sie spezialisiert sind, nicht nur auf der technischen Seite, sondern überall.

KLS: Linux hat über die Jahre andere offene Technologien und auch sogar OpenSource-Geister oder OpenSource-Philosophien hervorgebracht. Es hat Sachen wie Wikipedia, die Online-OpenSource-Enzyklopädie oder wie manche argumentieren, Bürgerjournalismus hervorgerufen. Was denken Sie darüber?

LT: Wir sollten im Allgemeinen nicht Linux das Ansehen schenken. Es gab schon vor Linux OpenSource-Projekte und freie Software. Linux war in vielerlei Hinsicht eines der bekanntesten und auch eines der größeren technischen Projekte in diesem Gebiet. Die Art und Weise, wie die Leute Linux gesehen haben, hat sich geändert, da Linux eben beides, Technisches und Ideologisches verbunden hat. Gleichzeitig glaube ich nicht, dass der ganze "Offenheits"-Gedanke neu ist. Tatsächlich vergleiche ich öfters OpenSource mit Wissenschaft. Dahin, wo Wissenschaft diesen Begriff der Verbesserung von Ideen von Leuten gebracht hat und es dazu gemacht hat was Wissenschaft heute ist, das ist der große Fortschritt den wir hatten. Die unglaublichen Schritte die wir dadurch gemacht haben. Ich vergleiche das mit der Hexerei und Alchemie, wo Offenheit etwas war, was man nicht getan hat. Also ist Offenheit nichts neues, es ist etwas, das sogar für eine sehr lange Zeit schon funktioniert hat.

KLS: Was ist Ihr Lieblings-Sprössling der OpenSource-Philosophie?

LT: Das ist eine unerwartete Frage. Ich weiss es auch nicht. Ich glaube der netteste Teil ist nicht wirklich die OpenSource-Seite, sondern die ganze Gemeinschafts-Seite, was ich nicht wirklich erwartet habe. Aber es ist genau das, was mich in diesen Tagen motiviert.

KLS: Sind Sie jetzt sowas wie ein Rockstar in technischen Kreisen?

LT: Im normalen Leben fällt mir das nicht auf. Ich gehe nicht zu so vielen Konferenzen. Ich tue das ein paar mal im Jahr. Normalerweise bleibe ich unerkannt, Menschen schenken mir auch keine Aufmerksamkeit. Ich bin eine völlig normale Person, die in ihrem Bau ihre Arbeit verrichtet.

KLS: Wie oft haben Sie die Möglichkeit, bekannte Linux-Mitwirkende von Angesicht zu Angesicht zu sehen?

LT: Nicht sehr oft. Ein paar von ihnen wohnen hier in der Nähe. Gelegentlich treffe ich mich auch mit ihnen. Wir gehen für ein Bier oder ein Frühstück oder sowas raus. Wir haben zwei Konferenzen pro Jahr, zu denen die Leute hingehen. Diese Konferenzen sind auch weitgehend gesellig. Ich meine wir bearbeiten auch Probleme von Angesicht zu Angesicht bei diesen Konferenzen. Vielleicht ist es so einfacher sich zu einigen, aber das meiste dreht sich eher um den sozialen Kontakt miteinander. Meistens wird man auch Menschen sehen, die dort am selben Tisch mit ihren Laptops sitzen und sich E-Mails zuschicken, da es meistens auch eine bessere Möglichkeit ist sich so zu verständigen, wenn man ein technisches Problem hat; man kann es besser niederschreiben, man kann auf den Quelltext verweisen.

KLS: Also wird die Bedeutung der Treffen von Angesicht zu Angesicht ein bisschen überschätzt?

LT: Ich glaube ja. Zum Beispiel habe ich vor langer Zeit entschieden, dass ich nie wieder zu einem solchen Treffen gehen werde, da diese Treffen die größte Zeitverschwendung sind, die man haben kann. Ich denke, dass die meisten Menschen, die in Büros arbeiten, meine Meinung teilen. Nie kommt etwas zustande. Wenn Sachen gemacht werden, ist üblicherweise jemand in deinem Büro, der mit dir darüber redet. Aber in der meisten Zeit wird die wirkliche Arbeit von Leuten erledigt, die alleine vor ihrem Computer sitzen und das tun, was sie am besten können. Besonders beim Programmieren.

KLS: Was sind Ihre Gedanken über Linux, könnte es noch ohne Sie weiterbestehen?

LT: Es ist viel größer geworden als ich es bin. Vor zehn Jahren hat es mich noch gebraucht, persönlich und auch als Galionsfigur. Heutzutage gibt es eine Menge Firmen, viele Menschen, die die Technologie kennen. Zuletzt bleibe ich als zentraler Punkt übrig, aber nur deswegen, weil die Menschen mich kennen, die Menschen vertrauen mir. Ich bin neutral. Ich mag es wirklich, mit Linux zu arbeiten. Ich mag die technischen Herausforderungen, ich mag das Miteinander und solange ich die beste Person dafür bin, will ich daran mitwirken.

KLS: Es hört sich also so an, als werden Sie den Job auch in Zukunft noch machen. Der, wie Sie es ausdrückten, zentrale Punkt im Linux-Entwicklungsprozess?

LT: Richtig. Gleichzeitig werde ich versuchen, soviel wie möglich auszubauen. Ich will immer noch im Mittelpunkt stehen, aber kein Flaschenhals sein, das erfordert viel Vertrauen in andere Menschen. Du sagst dann: "Hey, triff du doch die Entscheidung, ich werde hier nicht selbst entscheiden", da das wirklich nicht funktioniert. Das treibt Menschen in den Wahnsinn und wenn du sie nicht bezahlst, werden sie es nicht akzeptieren. Deswegen kann ich es mir nicht leisten, so ein Flaschenhals zu sein.

KLS: Gibt es noch andere Ziele, die Sie erreichen wollen?

LT: Nein, aber auf der anderen Seite bin ich nicht der Typ, der weit plant. Als ich mit Linux anfing, wollte ich nicht da sein wo ich heute bin. Ich bin eher ein: "Jeden Tag wie es kommt"-Typ. Ich bin sehr zufrieden, wenn ich etwas Sinnvolles mache, das auch etwas bewegt, und das sogar viele Menschen benutzen. Aber gleichzeitig habe ich keine, und hatte auch nie große, visionäre Ziele.