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Der Preis der Freiheit

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Da bin ich doch richtig gespannt, ob es diesmal ein mehr philosophischer oder praktischer Artikel wird. Bei mir weiß man das nie so genau. Ich auch nicht. Trotz der höchst spekulativen Überschrift, die das Schlimmste befürchten lässt, ist erst einmal Entspannung angesagt. Es geht um ein sehr praktisches, ganz einfaches Problem. Dachte ich.

Teil 1 – Das Ding mit dem Ding Dong

Mein Uraltscanner, treuer, dickleibiger Gefährte über die Zeit, ist sanft an Altersschwäche eingeschlafen. Kurz gesagt, er scannt nicht mehr. Irgendwas an der Mechanik. Wahrscheinlich die Bandscheiben. Aber der Reihe nach ... Ich stecke mitten in einer Projektdokumentation. Das heißt, vor mir liegen ungefähr 80-100 Seiten Blatt, die gescannt, aufgearbeitet und zu einer Mappe zusammengestellt werden wollen. Wie immer bin ich spät dran. Also los. Das leichte Zögern meines alten Scanners seit ein paar Tagen habe ich geflissentlich überhört. So trifft es mich völlig unvorbereitet, obwohl es das nicht müsste. So geht es mir immer. Ein neuer Scanner muss her. Geht doch. Computer sind einfach super im Lösen von Problemen, die wir ohne Computer nicht hätten. Wozu gibt es das Netz der Netze. Doch in extremen Krisensituationen greift man gern auf Bewährtes zurück. Ich also zum Telefonhörer. Nun ist die Stadt, in der ich wohne, nicht gerade eine Weltmetropole. Da muss man schon mit dem zufrieden sein, was es gibt. Oder kilometerweit fahren. Nein. Das nicht. Keine Zeit. „Wir haben einen Lide 25.“ „Geht der auch unter Linux?“ Das Schweigen auf der Gegenseite war voller Fragezeichen. Also doch ins Netz. Zunächst Verwirrung. Der Verkäufer hatte das Wort englisch ausgesprochen und ich „light“ verstanden. Unter light 25 gab´s keinen Scanner. Dann auf halbem Weg zurück ein bookmark gefunden. Tuxhardware. Da kann man doch nachsehen, welche Geräte mit Linux laufen. Gleich auf der Startseite: Lide25. Ach so schreibt man das. Also wenn der auf der Startseite steht, kann´s ja nicht verkehrt sein. Ich erspare mir den Text zu lesen und ins ubuntu users Forum guck ich auch nicht mehr. Wozu auch. Der Scanner ist preiswert, im Laden zu haben und steht auf der Startseite. Ich bin happy. Und das genau 25 Minuten lang. Solange brauchte es nämlich den Scanner auszupacken, nebst Kabel, einen freien USB Port zu suchen und anzuschließen. Dann tat sich nichts. Xsane meldet stur: Keine Geräte erreichbar. Aber im Gerätemanager steht er drin. Unbeirrbar. Das ist Xsane völlig egal. Ich mache mit mir einen Vertrag: Du investierst genau 1 Stunde, das Ding zum Laufen zu kriegen und keine Minute mehr. Also los: Im UU Forum werde ich sofort fündig. Das ist die gute Nachricht. Andererseits zeigen die vielen Einträge, so einfach ist das anscheinend nicht. Das ist die schlechte. Aber ich habe ja eine Stunde. Ich lese gründlich. Die Informationen und Links sind hilfreich. Hilfreich sane verstehen zu lernen, die Konfigurationsdateien zu durchforsten und ich weiß jetzt, welche vendor- product- und chip- Nummer ich in Hexadezimal wo hinschreiben muss. Ich lese im Debian Anwenderhandbuch etwas über Scanner, mache mich über USB schlau und lerne wieder ein paar neue Konsolenbefehle. D.h. mein Wissen wächst (freu). Geholfen hat´s nichts. (jammer) Noch 40 Minuten. Ich erfahre, dass ich neue Sane Backends brauche. Damit beginnt ein ubuntu Abenteuer. Die /etc/apt/sources.list um zwei Einträge erweitert und dann mit sudo apt-get upgedatet. - Wie ich dieses Wort liebe „upgedatet“ - Wieder wachse ich um ein paar Zentimeter an Know-How und Stolz. Mein Scanner wird immer noch nicht erkannt. Noch 30 Minuten. Dann musst du eben aus den Source-Dateien dein Backend selbst compilieren. Lese ich. Spätestens zu diesem Zeitpunkt gelangt das Notebook meiner Frau in mein Blickfeld. Wunderbar, dekadent, unverantwortlich mit Windows XP bestückt und ich weiß es genau: USB Kabel rein. Ding Dong. Meldung: Hardware erkannt und installiert, Sie können den Scanner jetzt nutzen. Soll ich? Die Versuchung ist riesig. Ich will meine Doku machen. Noch 25 Minuten. Auf halbem Weg aufgeben? Die Chance, Neues zu entdecken und wieder ein Stück kompetenter zu werden, verstreichen lassen? Nein! Keine Arbeit der Welt kann mich dazu zwingen. Also wage ich mich zum ersten mal hinaus aufs Linux Meer der berühmten 3 Schritte von denen ich schon so viel gelesen habe: ./configure, make, make install. Ich sitze mit gespitzten Ohren und langem Hals vor dem Monitor und lerne mit meiner Verzweiflung fertig zu werden, angesichts unzähliger unverständlicher Meldungen, die über das Terminal flitzen. Am Ende hat es tatsächlich geklappt. Große Freude. Ich habe mein erstes Programm selbst compiliert. Meinem Scanner war das völlig egal. Noch 10 Minuten. Dann lese ich, es könnte an der Rechtevergabe liegen. Das sagt mir was. So Probleme hatte ich schon früher. Und Gott sei Dank gibt es dazu gleich einen Link. Die Lösung steht im uu Forum. userrechte: treiber:scanner:troubleshooting. Ich liebe ubuntu und ubuntuusers. Genau das ist es, warum ich hierher gewechselt bin! - Wenn ich Euch einen Rat geben darf: Folgt diesem Link nicht. Zumindest nicht in der Stimmung, in der ich mich inzwischen befand. Denn ich musste erfahren, dass es eine Seite mit einem solchen Namen noch nicht gibt, ich aber gerne eine anlegen könnte. Was die mich mal können, führe ich lieber nicht weiter aus. Was brauche ich den Scanner zu finden, was gebe ich auf die Konsole und ihr albernes sane-find-scanner. Ich führe einfach Xsane als root aus. Ganz egal was mir scanimage oder sonstwer erzählt. Und siehe da: Es geht! Sanner gefunden, der Schlitten ruckt an, welch schöner Ton, das Lämpchen leuchtet, welch bezauberndes Licht. Es geht als root. Jetzt kann ich meine Doku machen. Denke ich. Aber oh Graus, die Scans sind gesperrt. Sie gehören root. Ich kann damit nicht weiterarbeiten. Ich habe vielleicht meinen Scanner allen Unkenrufen zum Trotz installiert gekriegt und mir wieder ein Stück mehr ubuntu zu eigen gemacht. Aber ich kann damit nicht vernünftig arbeiten. Und dazu ist die Kiste schließlich auch da. 15 Minuten über der Zeit. Zeit für eine Pause. Ich bewundere meine Frau immer wieder, wie es ihr gelingt mit Liebe und Hartnäckigkeit mich zu einer Pause zu bewegen. Und mit Brezeln und alkoholfreiem Bier. Das Bier macht mich verwegen. Ich troubleshoote nicht mehr. Ich probier´s einfach als user. Der Scanner schnurrt, das Scan erscheint, das Dokument gehört mir, ich kann arbeiten. Ja - ich weiß, 2 Stunden später als geplant. Aber was sind schon 2 Stunden für ein solches Bündel an Erfahrung. Nur noch ganz selten blicke ich zum Notebook und stelle mir vor, wie ich einfach nach dem Ding Dong losgescannt hätte. Was ich jetzt, doch ein wenig müde geworden, noch vor mir habe. Am nächsten Morgen, ausgeschlafen und frischen Muts, wage ich das schier Unvorstellbare: Ich starte Xsane direkt als User, ohne irgend was sonst, am jungfräulichen, frisch gebooteten Rechner sozusagen. Keine Geräte erreichbar. Sagt Xsane. Jetzt ist reine Detektivarbeit gefragt. Was hatte er gestern, was er heute nicht hat? Ich will es kurz machen: Man muss den USB Stecker einmal abziehen und wieder rein stecken. Das ist alles. Stand auch irgendwo im Forum, in einem Nebensatz und tauchte aus dem Nebel der Erinnerung wieder vor mir auf. So ist es bis heute geblieben. Nach dem Hochfahren einmal Stecker raus, einmal Stecker rein und alles ist bestens. Meine Doku ist längst fertig und meine Kollegen sagen, diesmal wäre sie besonders gut geworden. Schnitt. Beim nächsten mal geht’s weiter. Danke an Thomas Schaaff für diesen Beitrag.