ubuntuusers.de

Im Gespräch mit Ubuntu-Entwickler Daniel Holbach

ubuntu_und_ich.png

Daniel Holbach ist Ubuntu-Entwickler bei Canonical und leidenschaftlicher Open-Source-Enthusiast. Er war einer der ersten fünf "Master Of The Universe" und hat sich für Ikhaya Zeit genommen, um etwas über seine Arbeit, seinen Weg zu Ubuntu und die kommende Ubuntu-Version 'Intrepid Ibex' zu plaudern.

Welche Bereiche umfasst deine Arbeit für Ubuntu?

Mein größtes Interesse galt immer der Community, meist der Entwickler-Community. Ich war einer der ersten 5 MOTU, habe die Bugsquad mit gegründet, war Teil des Desktop-Teams, habe dem Accessibility-Team ausgeholfen und vielen anderen Teams auch.

Ich finde es spannend zu sehen, wie viele Menschen sich in Entwicklungsarbeit stürzen (oft ohne großen Programmierhintergrund) und Ubuntu jeden Tag ein Stückchen besser machen. Der Enthusiasmus und Spaß im Team reißt mich heute immer noch mit.

Ist der Job als Ubuntu-Entwickler deine hauptberufliche Tätigkeit?

Ja, seit 2005 arbeite ich für Canonical.

Wie viele Stunden investierst du wöchentlich in deine Arbeit?

Das kann sehr schwanken - eine „40-Stunden-Woche“ ist es aber selten.

Beschreib doch mal deinen Weg von der ersten Linux-Installation bis hin zum Canonical-Mitarbeiter.

1998 habe ich ein SuSE Linux installiert (ich weiß nicht mehr welches) und habe ein wenig damit herumgespielt - von ernsthafter Nutzung kann keine Rede sein. Irgendwann bin ich dann auf Debian Potato umgestiegen, während Ubuntu's no-name-yet.com-Zeiten hab ich dann ein abenteuerliches Dist-Upgrade auf Warty gemacht.

Eigentlich hätte ich mich zu jener Zeit besser um meine Diplomarbeit gekümmert, da ich aber eine neuere Version einer Bibliothek gebraucht hatte, hab ich mich in Paketierung eingearbeitet und meinen Fast-Nachbar Michael Vogt solange ausgehorcht, bis ich ein besseres Verständnis davon hatte.

Während "Hoary" waren das Community Entwickler-Team noch reichlich unorganisiert und statt meine Diplomarbeit zu verfeinern habe ich bis tief in die Nacht TODO-Listen für das MOTU-Team geschrieben und selbst mein bestes dafür getan, dass Ubuntu Universe in einem besseren Zustand war. Die Pionier-Atmosphäre und das Gefühl, Ubuntu jeden Tag besser zu machen, und der Spaß daran, gemeinsam etwas zu erreichen, ist einfach großartig.

Eines Tages sprach ich dann mit Mark Shuttleworth im IRC und er befragte mich zu meinen Ideen zur Community - ich war reichlich nervös. Gegen Ende unseres Gespräches fragt er dann "Kommst Du auch nach Sydney?" - die "Ubuntu Down Under" Konferenz sollte dort stattfinden. Ich sagt ihm, dass ich das Geld wohl nicht zusammenbringen würde und eigentlich die Diplomarbeit fertig machen müsse. Daraufhin meinte er "Ich zahl's Dir - schau halt mal, ob Du es einrichten kannst"... natürlich konnte ich.

Sydney war spitze und ich habe dort viele Leute, unter anderem auch Martin Pitt, Matthias Klose und Sébastien Bacher kennen gelernt. Die Konferenz war selbst etwas chaotischer als heute, aber generell eine tolle Zeit. Gegen Ende der Woche fragte ich Mark dann nach einem Gesprächstermin: Mein Bewerbungsgespräch hatte ich mit Matt Zimmerman und ihm im Park des Hotels.

Was magst du an deiner Arbeit besonders, was überhaupt nicht?

Ich mag die Energie und Kreativität der Community - jeden Tag passiert etwas neues großartiges, oft auch unerwartetes. Egal ob es Entwicklung, Bug-Arbeit, Artwork, Event-Planung, Übersetzung oder Dokumentation ist - jeden Tag findet jemand Neues einen Platz "to put their brick in the wall" (Zitat von Jono Bacon).
Unnötige Streitereien mag ich nicht - zum Glück kommen die nicht allzu oft vor. ☺

An welchem Projekt arbeitest du im Moment?

Mehr lokale Events: Bug Jams (Leute treffen sich lokal und arbeiten gemeinsam an Bugs) und Packaging Jams (Paketierungs-Workshops) stehen ziemlich weit oben auf meiner Liste.

Außerdem möchte ich es einfacher machen auf einen Blick zu sehen, welche Pakete gut gepflegt sind und welche mehr Liebe benötigen, zusätzlich sollten einfache Möglichkeiten, Pakete zu verbessern, auf einen Blick sichtbar sein.

Wo sollte man am besten anfangen, wenn man Ubuntu-Developer werden möchte?

MOTU/GettingStarted - Alle wichtigen Informationen über Paketierung, Ubuntu-Prozesse und einfache erste Aufgaben sind von dort verlinkt.

Welchen Rat kannst du einem angehenden Ubuntu-Developer mit auf den Weg geben?

Nicht so schnell aufgeben, herumexperimentieren, keine Angst haben zu fragen, Dokumentation auch ruhig zweimal lesen. Mit anderen zusammenarbeiten.

Was gefällt dir an Ubuntu am besten, wo besteht Verbesserungspotenzial?

Ubuntu ist sehr einfach zu benutzen und sehr stabil. Es kommt mir nie "in die Quere" - ich kann meine Arbeit so erledigen, wie ich es mir vorstelle.

Verbesserungspotenzial besteht definitiv im Bug-Tracker und wie wir mit Bugs umgehen. Mit dem Ansturm von Usern haben wir nicht unbedingt mitgehalten.

Was erwartest du von Ubuntu 'Intrepid Ibex' 8.10?

Einen neuen Look, Ubuntu läuft auf noch mehr Maschinen, mehr Entwickler und mehr Leute, die sich nach vorne trauen und mitmachen.

In der letzten Woche fand der UDS 2008 in Prag statt: Welche Eindrücke nimmst du mit und auf welche Neuheiten darf man sich freuen?

Prag war spitze. In einem Blog-Eintrag hab ich einige meiner Eindrücke festgehalten. Es war toll, Leute zu treffen und gemeinsam neue Ideen auszubrüten.

In jedem der einzelnen Tracks (Community, Platform, Desktop, Server, Mobile, Kernel, QA) wurden vielen neue Änderungen besprochen, viele davon betreffen die Entwicklung selbst, andere werden direkt sichtbar sein. Gerade sind die Entwickler dabei Spezifikationen entsprechend der Diskussionen vor Ort zu schreiben und in ein paar Wochen sollte https://blueprints.launchpad.net/ubuntu/intrepid sehr aufschlussreich sein.

Hast du jemals daran gedacht, deinen Posten als Ubuntu-Entwickler aufzugeben?

Nein, keine einzige Sekunde.

Was motiviert dich dazu, dem Ubuntu-Projekt zu helfen?

Ich arbeite mit großartigen Leuten zusammen, die alle an ein gemeinsames Ziel glauben: freie Software in Top-Qualität für jeden (die persönlichen Ziele sind dabei sehr breit gefächert). Es macht einen Riesenspaß und das Gefühl, zum großen Ganzen seinen Teil beigetragen zu haben, ist einfach fantastisch.

Welche Desktopumgebung favorisierst du, was gefällt dir an ihr besonders?

Ich benutze GNOME seit ungefähr Version 1.4 und bin damit immer noch glücklich - ich finde es einfach zu benutzen und sehr hübsch. Gelegentlich zu Installationstests schaue ich mir auch mal XFCE und KDE an, aber hängen geblieben bin ich bis jetzt immernoch bei GNOME.

Welche Anwendungen stehen bei dir unter den Top-5?

gnome-terminal, epiphany, thunderbird, rhythmbox, tomboy (und ab und zu crack-attack ☺ ).

Wenn dich ein Neuling fragt, was Ubuntu ist: Welche Antwort gibst du ihm?

"Alter! Das ist das beste seit geschnittenem Brot!"

Wo siehst du dich und deine Arbeit für Ubuntu in 5 Jahren?

Wahrscheinlich immer noch in Berlin, vielleicht etwas organisierter und in Ubuntu selbst: sehr sehr viele Entwickler, schnelle Arbeitsabläufe, mehr Unter-Teams mit eigenen Visionen, mehr mehr mehr mehr... ☺

Welche Linux-Websites sollte man unbedingt mit einem Lesezeichen versehen?

Im Moment sehr aufgeräumt:

http://nikeza.ubuntuusers.de/uploads/16/59/Bildschirmfoto_Kopie.jpg

Wie verbringst du deine Zeit, wenn du nicht gerade an einem neuen Ubuntu-Feature arbeitest?

Ich gehe mit meinem Hund raus, treff mich mit Freunden, kaufe Platten und lege ab und an Drum'n'Bass auf, lese und unternehme alles mögliche mit meiner Freundin.

Wofür kannst Du Dich begeistern?

Definitiv Musik. Ein Live-Konzert, bei dem Musiker nicht nur Können sondern auch Humor beweisen, ist einfach nur toll.

Wie würdest du dich mit einem Wort beschreiben?

Wenn's nach diesem Video geht, wohl "knuddeln".

Drei Orte, die man in deiner Wahl-Heimatstadt Berlin unbedigt gesehen haben sollte?

  • Grill-Nachmittag im Görlitzer Park

  • "Curry 36" auf dem Mehringdamm bei Nacht

  • möglichst viele der verrückten Bars, Club und Restaurants
    Welches Buch und welchen Film würdest du jedem Menschen empfehlen?

Bücher: möglichst viel von Henry Miller, Komödien von Oscar Wilde, Harry Potter 1-7, Hesse ist auch immer gut .... Filme: "Nausicaä aus dem Tal der Winde" ☺

Welche Lieder dürfen in keiner Playlist fehlen?

  • Ghostface Killa - Back Like Dat (Dj Marky & Bungle Remix)

  • Commix - Faceless

  • Sonic & Makoto - Tearing Soul
    Mit welcher Person würdest du gerne mal für einen Tag tauschen?

An manchen Tagen mit meinem Hund - eigentlich bin ich aber sehr glücklich in meiner eigenen Haut.

Wohin geht es in diesem Sommer in den Urlaub?

Nach Indien und ich freu' mich schon riesig drauf.

Wer wird Europameister 2008?

Keine Ahnung - echt nicht. ☺

Diskussion & Kommentare