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Interview mit Cristian Parrino über Ubuntu Phone und dessen zukünftigen Pläne

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Auf dem „Ubuntu Phone Insider Launch Event“ ergab sich die Möglichkeit für ein Interview mit Cristian Parrino von Canonical. Er sprach mit svij über die Veröffentlichung von Ubuntu Phone sowie über weitere Hersteller.

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Cristian Parrino bei der Veröffentlichung.

Hinweis: Dieses Interview wurde auf Englisch geführt. Den Originaltext findet man im Blog von svij 🇬🇧.

Hi Cristian und danke, dass du dich für ein Interview zur Verfügung stellst. Zu Beginn stelle dich doch bitte kurz vor.

Ich bin Cristian Parrino und ich leite das Mobile-Team bei Canonical. Also alles was Ubuntu Phone betrifft.

Seit wann arbeitest du für Canonical?

Nächste Woche sind es genau fünf Jahre!

Was war deine erste Tätigkeit dort?

Ich führte die Gruppe der „Online Services“. Also das Team, welches Ubuntu One schuf.

Aber dann hast du es wieder eingestellt.

Ja, genau 😉! Es war ein vollständiger Lebenszyklus von einem Produkt.

Hoffentlich wird Ubuntu Phone nicht auch eingestampft?

Nein, ich glaube, die Chance hierfür ist sehr sehr gering. Wir möchten, dass die Menschen es lieben. Dann wird das Produkt von alleine leben.

Heute habt ihr das allererste Ubuntu Phone offiziell veröffentlicht, was ist Dein persönliches Lieblingsfeature?

Es sind die Scopes. Sie beinhalten so viele Features innerhalb eines kleinen Bereiches. Scopes definieren neu, wie Nutzer mit ihrem Smartphone umgehen. Features sind dann nicht mehr hinter einer der zahlreichen Apps in dem Geflecht aus App-Icons versteckt, sondern sind direkt live auf dem Bildschirm. Die Informationen lassen sich dadurch schneller erreichen und regen stärker zum Nutzen an, als es simple App-Icons tun.

Nutzt du heute bereits Ubuntu Phone als dein täglich genutztes Smartphone?

Tue ich, definitiv!

Ist es das Phone von bq oder ein anderes?

Du hast das wirklich echte erste bq Smartphone mit Ubuntu. Ich selbst habe noch die Android-Version von bq, auf dem lediglich ein geflashtes Ubuntu läuft. Es ist zwar ein bq Smartphone, aber Du hast das erste Smartphone noch bevor es überhaupt jemand von Canonical bekommen hat.

Einige Leute haben mich gefragt, ob man auch einfach die Android-Version kaufen kann und hinterher Ubuntu drauf flashen kann, geht das?

Es ginge in der Tat, ja. Ubuntu für den Desktop kann man bekanntlich einfach aus dem Internet herunterladen und auf seinem Desktop-Rechner oder Laptop installieren und jeden Tag nutzen. Auf dem Smartphone sieht das allerdings anders aus, denn da ist dieses Verfahren lediglich für Entwickler gedacht. Es verwendet zwar die gleiche Code-Basis, aber der Hersteller passt sie so an, dass die Nutzererfahrung einzigartig pro Gerät ist. Das umfasst beispielsweise die Scopes, wie News-, Foto-, Video-, Musik-, oder auch das NearBy-Scope für Lokalisierungsdienste. Diese sind nicht in dem Image enthalten, welches man sich aus dem Internet herunterladen kann. Dort bekommt man lediglich eine Version mit einem App Scope und ein paar weiteren leeren Scopes.

Es ist schließlich ein Build für Entwickler, während das Build für die Endnutzer direkt auf das Gerät installiert wird. Man kann also nicht alle Funktionen von Ubuntu Phone genießen, wenn man nicht ein Ubuntu Phone von bq kauft.

Der erste Hersteller ist bq und der zweite ist… Meizu?

Es ist Meizu, ja.

… im nächsten Monat?

Wir sind ja gerade im Februar, ich denke im besten Falle wird es im nächsten Monat erscheinen. Was definitiv nächsten Monat passieren wird, ist, dass wir das Phone von Meizu in der ersten März-Woche auf dem Mobile World Congress in Barcelona zeigen werden. Wir wissen noch nicht sicher, ob die Geräte im März in den Verkauf gehen. Entweder März oder April.

Etwas ähnliches passierte ja auch letztes Jahr, wo es hieß, dass das erste Ubuntu Phone noch 2014 veröffentlicht wird 😉. Was passierte da?

Ich hoffe wir kriegen es dieses mal besser hin. Wir sind ein wenig sorgfältiger geworden.

Was waren die größten Probleme, weshalb es sich so lang hingezogen hat?

Sehr viele Dinge! Du machst etwas zum aller ersten Mal und du willst es gleich richtig machen. Dabei gibt es vorhersehbare Dinge wie zum Beispiel die Umstellung der Lieferkette. Diese produzierte nämlich momentan nur Geräte mit Android-Menü-Buttons. Es braucht also eine gewisse Zeit bis die Produktion umgestellt wird und man dann Smartphones ohne Android-Menü-Buttons herstellen kann. Das ist nur ein Beispiel für eine Vielzahl an verschiedenen Problemen, die gelöst werden mussten, sobald sie aufgetaucht sind.

Also ist die Hardware der beiden Phones mit Android und Ubuntu nicht genau dieselbe?

Genau, der einzige Unterschied liegt allerdings nur beim Bildschirm. Dieser hat die selbe Auflösung, allerdings ohne die Android-typischen Menü-Buttons. Ubuntu verlangt schließlich keine physikalische Buttons.

Selbst Android verlangt keine…

Stimmt, es hat ja diese drei Buttons auch auf dem Display.

Genau, es hängt jeweils vom Hersteller ab. Wie viele Leute arbeiten eigentlich an Ubuntu Phone?

Oh mein… das ist eine schwierige Frage. Ich schätze knapp 350 bis 400 Personen ausschließlich innerhalb von Canonical. Selbstverständlich kommen darüber hinaus noch weitere zusätzlich Beteiligungen von Leuten aus der Community, welche sich von der Entwicklung über die Usability und zu einer Vielzahl von anderen Dingen erstreckt. Ubuntu ist immer mehr als nur Canonical.

Wenn ich an Ubuntu Phone mitmachen möchte, wo sollte ich anfangen?

Das kommt darauf an, was du machen willst. Bist du ein Entwickler, ein Community-Mitwirkender oder …?

Sagen wir mal: Entwickler

Als Entwickler ist das Beste, womit man anfangen kann, die Entwicklung von Scopes mit dem Scope-Toolkit. Das ist das echt revolutionäre an dem Smartphone, welches es sehr einfach macht, eine API zu nutzen, um Scopes zu erstellen. Zudem erzeugen sie keine Fragmentierung wie es Apps tun.

Welche Programmiersprache muss ich können oder welche Kenntnisse brauche ich, um eine App zu programmieren?

Eigentlich geht alles. JavaScript, C++, Go, …! Wir nutzen ein UI-Toolkit, womit man die Programmierschnittstelle von seinen eigenen Diensten oder Inhalten koppeln kann. Dies gibt zudem Entwicklern eine hohe Flexibilität.

Andere Smartphone Betriebssysteme unterstützten teilweise Android-Apps, warum unterstützt Ubuntu Phone nicht Android-Apps?

Weil ich denke, dass jede Plattform, die nur eine „ich auch“-Plattform sein will, keine echte Chance auf dem Markt hat. Aus der Benutzerperspektive fehlt einfach die Motivation ein Smartphone zu kaufen, welches quasi ein Android-Klon ist, aber letztendlich doch kein echter Klon ist.

In Hinblick auf die Zukunft, was sind die Pläne für Ubuntu Phone in den nächsten zwei Jahren?

In den nächsten zwei Jahren – wenn wir uns in den Zeitraum versetzen – liegt der Traum der Konvergenz. Also ein Smartphone welches alle Dinge tut, über die wir heute reden. Dies würde die Art und Weise wie Benutzer mit ihrem Smartphone interagieren entscheidend verändern. Das wäre also das, was wir in der Ubuntu-Edge-Kampagne angedeutet haben. Ein Smartphone, welches sich in einen PC verwandelt, wenn man es an eine Dockingstation anschließt.

Also plant ihr in zwei Jahren die Features zu haben, welches das Ubuntu Edge damals haben sollte?

Hoffentlich sind wir schneller als zwei Jahre. In zwei Jahren will ich aber definitiv so ein Smartphone auf dem Markt sehen. Selbst das bq Smartphone ist ein signifikanter Schritt in diese Richtung. Wir haben die Grundsteine bereits in diesem Phone gelegt, welches uns näher an den Traum der Konvergenz bringt. Zum jetzigen Zeitpunkt fokussieren wir uns darauf, der Welt beizubringen, wie sie ein Smartphone zu erleben haben, statt nur Apps zu nutzen. Es ist Zeit für eine Veränderung.

Ich selbst denke, dass Ubuntu Phone bessere Ideen und Ansätze verfolgt als Firefox OS, das wirklich nur ein System mit Webapps ist, wo das Besondere fehlt.

Genau. Aus der Benutzerperspektive interessiert es natürlich nicht, ob es eine Webapp ist oder nicht. Auf Ubuntu Phone bekommt man eine bessere Benutzererfahrung mit einer großen Anzahl an Diensten. Man bekommt Scopes, die einen deutlichen Mehrwert bieten. Es wird auch langsam immer besser. Jetzt ist der Startpunkt für tausenden von Scopes und Apps ohne je ein einzelnes Gerät verkauft zu haben.

Lass uns nochmal zurück auf das Thema der Hersteller zurückgehen. Nach bq und Meizu, sind da andere Hersteller in der Pipeline?

Ja, aber vergib mir, dass ich sie nicht nennen werde.

Ohh!

Sie wären nicht wirklich glücklich, wenn ich es jetzt täte.

Aber du hast es immer besser als andere. Wir führen einer Gruppe, die wir „Insider“ nennen, wo du auch ein Teil davon bist. Das heißt, in dem Moment, in dem wir bereit sind über diesen Hersteller zu reden, gehört ihr zu den ersten Personen, die davon erfahren.

Gibt es eine Timeline?

Ich würde sagen, dass wir vor Juni den Namen eines weiteres Herstellers bekannt geben, für einen Markt, den wir bislang noch nicht erreicht haben.

Das heißt? 😉

Das heißt, es ist ein Markt, wo wir bisher noch keine Lösung für gefunden haben. Dabei handelt es sich es natürlich um den US-Markt. Wir hoffen, dass wir etwas für den US-Markt in den nächsten sechs Monaten bekannt geben können.

Cristian, ich bedanke mich für das Interview!

Keine Ursache. Auch danke an Dich, dafür, dass Du hier warst.